Drunter und drüber in Chongqing

Chongqing steht – fälschlicherweise – für viele Leute als Symbol der chinesischen Entwicklung der letzten Jahre. Erst kennt niemand diesen Ort, auf einmal ist die Stadt so groß wie die größten europäischen Städte und nun soll es die größte Stadt der Welt sein. Aber was ist an dem allem dran? In diesem Artikel möchte ich klären, warum gerade Chongqing eigentlich nicht dieses Symbol darstellt, zum anderen möchte ich die Stadt selber natürlich vorstellen.

Warum Chongqing nicht diesem Symbol entspricht

Wie die meisten großen Städte in China hat Chongqing eine Zeit des Booms durchgemacht – tatsächlich nicht nur ein Mal, sondern gleich zwei Mal, denn Chongqing ist nicht nur die eine bekannte Stadt am Drei-Schluchten Damm, sondern auch eine frühere Hauptstadt Chinas.
Wie die meisten wissen, war Nanjing die Hauptstadt Chinas um die Zeit des zweiten Weltkriegs und die meisten wissen auch, dass die Stadt im Laufe des Krieges an die Japaner gefallen ist. Nun brauchte China für die Übergangszeit natürlich eine andere Hauptstadt, welche gut zu verteidigen war, aber gleichzeitig bereits die Kapazitäten hat, um zumindest übergangsweise die Hauptstadt sein zu können.
Die Wahl fiel dabei auf Chongqing, der damaligen Hauptstadt der Provinz Sichuan, welche damals noch als Chungking bekannt war. Durch den Handel entlang des Jiangtze war die Stadt bereits einigermaßen groß, da sie aber in den Bergen gebaut war und somit relativ schwer zu erschließen war, war es auch vergleichsweise einfach, Hauptquartiere, Fabriken und andere Einrichtungen zur Unterhaltung des Widerstands zu verstecken. So durchging Chongqing das erste Mal einen Boom, bis die Hauptstadt dann am Ende des Krieges zurück nach Nanjing verlegt wurde und die Stadt aus westlicher Sicht für etwa 50 Jahre wieder in Vergessenheit geriet.

Anschließend kam die Errichtung des Drei-Schluchten-Damms, einem großen Bauprojekt, dass die Fluten des Jiangtse zähmen sollte und so jedes Jahr Hunderte von Menschen vor dem Ertrinken retten sollte.
Dies hatte für Chongqing zwei Effekte: Erstens kamen viele der früheren Bewohner der Täler in die Stadt, um dort ein neues Zuhause zu finden. Gleichzeitig gab es viele große Bauprojekte, nicht nur den großen Damm selber, sondern auch die damit verbundene Infrastruktur und neue Wohngebiete für die neu hinzugezogenen, welches zu einem großen Wirtschaftswachstum in der Region geführt hat.

Dies alles führte dazu, dass Chongqing sehr schnell gewachsen ist, tatsächlich ist aber die Aussage, dass Chongqing die größte Stadt er Welt sei, nicht zu 100% korrekt. Chongqing wurde zusammen mit seinem Umland in den 90er Jahren zu einer Munizipalität gemacht, während die Hauptstadt Sichuans nach Chengdu verlegt wurde. Chongqing hat viele Teile Sichuans dabei übernommen uns ist damit tatsächlich fast so groß wie Österreich. Auch wenn das gesamte Gebiet dabei zur gleichen Verwaltung gehört und allgemein sehr gut erschlossen und bebaut ist, ist dabei aber wohl kaum von einer einzigen Stadt die Rede. Die Stadt Chongqing selber, einschließlich der Vororte, besitzt etwa 8 Millionen Einwohner, was etwa so viel ist, wie die meisten anderen Provinzhauptstädte Chinas auch – wie man dass nun betrachten möchte ist wohl jedem selber überlassen, Tatsache ist aber, dass die Stadt eine wichtige Rolle in China spielt und dem entsprechend der „Tier 4“ Titel innerhalb der chinesischen Klassifizierung von Städten gerechtfertigt ist.

Diese historischen Fakten der Stadt sollte man auch bei einem Besuch der Stadt beachten, denn diese sind nun mal der Grund, warum Chongqing so ist, wie es ist: Sehr bergig, dicht bevölkert, eng und ein Stück weit auch einfach chaotisch. Wer das erste Mal in China ist, sollte sich also auf einen Kulturschock vorbereiten, vielleicht sogar ein bisschen mehr, als es sonst der Fall wäre.

Wann und wie lange sollte man nach Chongqing kommen?

Wir haben Chongqing Ende August besucht, einer ziemlich heißen und schwülen Zeit – dafür war es aber auch relativ smogfrei. Aufgrund der Umgebung Chongqings muss man hier einfach einen Kompromiss machen, entweder man akzeptiert, dass es sehr warm sein kann, oder man geht von vornherein das Risiko ein, dass es sehr viel Smog gibt.
Alle hier gelisteten Sehenswürdigkeiten können – effizient geplant – an einem vollen Tag besucht werden.

Was gibt es zu essen?

Auch wenn Chongqing seine eigenen Spezialitäten hat, sollte man die Stadt kulturell und besonders kulinarisch in Sichuan einordnen. Die Leute lieben scharfes Essen, dabei wird vor allem das Sichuan Pfeffer benutzt, einer besonderen Chilli-Art, welche zwar durchaus scharf ist, aber vor allem auch ein leicht taubes Gefühl im Mund verursacht und dabei einen Beigeschmack von Zitrusfrüchten hat.

Das berühmteste Gericht aus Chongqing ist natürlich der Hotpot, welchen es tatsächlich fast an jeder Ecke irgendwo zu finden gibt.
Hotpot ist eine Art chinesisches Fondue, es gibt also einen großen Topf in der Mitte des Tisches, welcher mit Suppe gefüllt ist. Dabei können die Töpfe verschiedene Formen haben, um so zwei oder mehr Suppen gleichzeitig zubereiten zu können.
Wir empfehlen den typischen in zwei Teile geteilten Hotpot. So kann man die scharfe Chongqing Suppe ausprobieren und das ganze mit einer milderen Suppe kombinieren – es kann einfach sein, dass einem die lokale Version einfach zu scharf ist, dann will man ja aber wahrscheinlich trotzdem nicht hungrig vom Tisch aufstehen.

Was gibt es zu sehen?

Wie bereits oben erwähnt, kann man alle Ziele in Chongqing an einem Tag erreichen, teils sogar einschließlich der An- und Abreise, wenn man aus der Nähe kommt. Um ein wenig bei der Planung zu helfen, sollte besonders bei der Bootsfahrt auf die Zeitangaben geachtet werden.

Die Seilbahn

Die Seilbahn war für uns die Attraktion Nummer Eins in Chongqing. Diese wurde einst gebaut, um es den Leuten auf den verschiedenen Seiten der Flüsse zu ermöglichen, einfach und bequem ins Zentrum zu gelangen, ohne die Berge rauf und runter laufen zu müssen und mit der Fähre übersetzen zu müssen. Seit der Errichtung des Metro- und Monorailsystems sind die Seilbahnen jedoch überflüssig geworden, die Kapazitäten sind einfach viel zu klein, die Distanz eigentlich nur noch für direkte Anwohner relevant und überhaupt sind die Metros natürlich schneller. Dies ist wohl auch der Grund, warum von den ehemals 3 Seilbahnen in Chongqing nur noch die eine Seilbahn über den Jiangtse Fluss besteht, welche aufgrund des Preises auch eindeutig eine Touristenattraktion ist, und kein Massentransportmittel.

Nichtsdestotrotz ist diese Seilbahn für uns ihr Geld wert, es ist einfach sehr beeindruckend, mit der Seilbahn zwischen den Hochhäusern hindurch und über den Fluss hinweg zu gleiten, um auf der anderen Station dann eine beeindruckende Aussicht auf die Skyline Chongqings zu genießen.

Aus der oben beschriebenen Entwicklung können wir davon ausgehen, dass es in der Umgebung der Seilbahnstation vor allem Wohnhäuser und ähnliches gab, dies hat sich allerdings mit der Umorientierung dieser Attraktion drastisch geändert. Während unseres Besuches gab es auf der anderen Seite der Seilbahn eigentlich vor allem Baustellen, jedoch wissen wir, dass es sich dabei vor allem um Restaurants, Bars und ähnliches handeln wird. Ein weiteres Indiz dafür ist wohl, dass die Öffnungszeiten der Seilbahn beträchtlich verlängert wurden, so dass die Seilbahn in der Zukunft wohl vor allem das Partyvolk über den Fluss bringen wird.

A view of the Skyline of Chongqing

Den Eingang zur Seilbahn kann man in der Nähe von Ausgang 5B der Metrostation Xiaoshizi finden, die Hin- und Rückfahrt kosten zusammen 30 Yuan und wir haben hier einschließlich Wartezeiten wohl insgesamt etwa eine Stunde verbracht.

Die Liangjiang Bootstour

Die Bootstouren für einen Tag sind eine weitere tolle Möglichkeit, um einen Überblick über die Stadt zu gewinnen. Dazu muss man lediglich zu den Stegen unten bei Chaotianmen gehen, an der vordersten Spitze der Halbinsel, wo die beiden Flüsse zusammen fließen. Hier schaut man sich dann ein bisschen um, leider ist es nicht immer ganz eindeutig, welches Boot jetzt was anbietet, da auch die Kreuzfahrtschiffe für die 3 Schluchten hier anhalten.
Diese Ausflugsschiffe haben ihren eigenen Zeitplan und fahren nur zu bestimmten Zeiten, meist einmal Nachmittags und einmal Abends. Nachmittags kann man eine etwas günstigere Fahrt entlang der beiden Flüsse machen, während man Abends eine teurere Tour mit Ausblick auf die beleuchtete Skyline genießen kann. Insgesamt sollte die Fahrt etwa 1 1/2 Stunden dauern, die Tour am Nachmittag kostete etwa 60 Yuan pro Person.

Unsere Tour begann dann um halb 3, zuerst fuhren wir den Jiangtse hinauf, etwa bis auf Höhe der Seilbahn, anschließend ging es zurück und den Jialing Fluss bis etwa auf Höhe von Hongyadong hinauf. Dann geht es zurück und die Tour ist vorbei.
Bei der Wahl der Sitzplätze sollte man am besten auf der Seite sitzen, die dem Fluß zuerst zugewandt ist, des Weiteren sollte man darauf achten, ob Mikrofone oder eine Bühne in der Nähe ist – bei unserer Tour wurde eine große Show aufgezogen, mit lauter Musik und nichts wirklich relevantem zur Stadt selber. Ich hätte gerne Ohropax dabei gehabt.

Die Bootstour selbst empfanden wir hingegen als eine schöne Erfahrung, da man mit dieser einen anderen Blickwinkel auf die verschiedenen Attraktionen der Stadt bekommen hat. Ein absolutes „Must-Have“ ist es damit für uns jetzt nicht, besonders nicht, wenn man die 3 Schluchten Fahrt vor sich hat, dennoch ist es eine schöne und entspannte Tour, die man bei einem Besuch in Chongqing in Erwägung ziehen sollte.

Hongyadong

Hongyadong ist eine kleine Altstadt im nördlichen Stadtkern von Chongqing und zeigt eindrucksvoll, wie die Leute hier wohl bereits vor hunderten von Jahren gelebt haben. In den meisten Orten konnte man damals noch nicht allzu hoch bauen, nicht so aber in Chongqing, wo man seine Häuser einfach in den Fels hauen konnte. Somit haben wir hier eine schöne Altstadt, welche mal ganz nebenbei gesagt 10 Stockwerke hoch ist – man kann diesen Bereich in den unteren Stockwerken betreten, aber auch von oben aus, denn hier führt tatsächlich eine Straße auf Höhe des 10. Stockwerkes entlang. Ganz oben kann man in einigen Restaurants sehr gut Essen oder trinken, während die unteren Etagen einfach sehenswert ist – nicht aufgrund des Angebotes an Geschäften (was besonderes zu kaufen gibt es hier nicht), sondern eher um sich die Architektur anzusehen. Nebenbei gibt es auch außerhalb einen kleinen Garten, der definitiv einen kurzen Blick wert ist.

Zusammenfassung

Wir haben auch in Chongqing ganze 5 Tage verbracht, müssen aber nun wirklich sagen, dass das viel zu viel war. Es ist schwer zu beschreiben, die Stadt hat mich aber auf seine eigene Art und Weise fasziniert: Ähnlich wie in Hong Kong leben hier sehr viele Menschen auf kleinstem Raum und das nicht nur auf „einer Ebene“. In Chongqing ging es wirklich drunter und drüber, diese Stadt einmal gesehen zu haben ist einfach eine Erfahrung.

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